
May 8, 2010, at the Open Memory exhibition in Cologne (Köln) Germany, Simon Gronowski in front of a canvas with Transport XX portraits, including his portrait.
Cologne, May 8, 2010, Speech by Simon Gronowski
German speech (DE) by Simon Gronowski held at the opening of the Open Memory expo.
Köln 8.- Mai 2010 Rede von Simon Gronowski, Brüssel
Ich – ein Kind der Shoah – überbringe dem deutschen Volk, der deutschen Jugend eine Freundesbotschaft. Die Barbaren haben meine Mutter und meine Schwester in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau umgebracht, und mein Vater starb vor Verzweifelung im Juli 1945.
Meine Eltern hatten einen einzigen Fehler begangen, sie hatten nichts Schlimmes getan, aber sie wurden als Juden geboren, ein « Verbrechen », das in dieser Zeit nur mit dem Tod bestraft werden könnte.
Am 17ten März 1943 hat uns die Gestapo verhaftet: meine Mutter, meine Schwester Ita und mich selbst. Mein Vater entging der Verhaftung, er war zu dieser Zeit im Krankenhaus.
Zwei Tage verbrachten wir in den Kellern der Gestapo an der Avenue Louise und einen Monat in der Dossin-Kaserne in Mechelen.
Meiner Schwester war vorläufig von der Deportation ausgeschlossen, denn sie hatte die belgische Staatsangehörigkeit angenommen (als sie 16 Jahre alt wurde).
Am 19zehnten April 1943 habe ich meiner Schwester Ita auf Wiedersehen’ gesagt, Ich wusste nicht, dass dies ein Abschied für immer war.
Ich verließ die Unglückskaserne, rechts und links von zwei Reihen bewaffneter Soldaten umgeben und bestieg mit meiner Mutter und 50zig bis 60zig anderen Menschen einen Viehwagon.
Die Schiebetür des Wagons wurde auf brutale Weise und mit großem Metallgetöse geschlossen.
Ich war elf Jahre alt. Ich verstand von alledem ganz und gar nichts. Ich befand mich noch in meiner Welt der Pfadfinder. Ich wusste nicht, dass ich zum Tode verurteilt war und zu meinem Exekutionsort transportiert wurde.
Es war ein Wunder, das ich vom Zug abspringen und fliehen könnte.
Kurz nach unserer Abfahrt hielt der Zug an. Ich befand mich im Wagon in völliger Dunkelheit, Ich hörte Gewehrschüsse und die deutschen Wachen brüllen.
Das war der Angriff auf den zwanzigsten Deportationszug in Boortmeerbeek und per Zufall brach am gleichen Tag – es war der 19zehnte April 1943 – der Aufstand im Warschauer Ghetto aus.
Drei junge Leute hielten den Zug an, sie öffneten einen Wagon – nicht den Meinigen – und haben 17 Personen befreit.
Der Zug fuhr weiter, und ich schlafe in den Armen meiner Mutter ein. Aber im Unterbewusstsein hörte ich doch das Männer in meinem Wagon versuchten, die Wagontür von innen aufzumachen. Die Ereignisse um den Angriff auf den Zug hatten ihnen Mut gegeben.
Plötzlich weckte mich meine Mutter auf, der Zug rollte, aber die Wagontür war offen. Sie stellte mich auf das Trittbrett des Wagons, und ich sprang . Ich war in der Provinz von Limburg, ich lief die ganze Nacht durch den Wald und am Morgen fiel ich in die Hände eines Polizisten: Jean Aerts. Er wusste schnell, dass ich ein jüdisches Kind war und das ich mich auf der Flucht befand. Er hat mich beschützt.
50-60 Jahre lang habe ich wenig von meiner Vergangenheit gesprochen. Ich wollte nur dem Heute und dem Morgen leben. Heute spreche ich aus mehreren Gründen:
1) Die Negationisten sagen, dass das nicht wahr sei, dass alles nicht existiert hat: es hat keine Gaskammern gegeben, keine Krematorien, keine unzähligen Massaker.
Ich wünschte dass sie recht hätten, dann hätte ich meine Familie noch !
Diese Leute sind gefährlich: sie negieren die Verbrechen von gestern, um morgen andere zu begehen. Zeugnis abzulegen ist meine Pflicht. Jemand, der einen Zeugen hört, wird selbst Zeuge.
2) Ich möchte den Helden, die mir das Leben gerettet haben, Dank sagen :
…Den drei jungen Leuten, die den Zug in Boortmeerbeek anhielten, den Wagon öffneten und 17 Menschen retteten : Youra Livschitz, Jean Franklemont und Robert Maistriau hatten eine Aktion von außergewöhnlichem Mut vollbracht. Von all den vielen Deportationszügen, die Europa zwischen 1939 und 1945 durchquerten, war nur der zwanzigste Deportationszug aus Belgien das Ziel einer Widerstandsgruppe.
…Dem Polizisten von Borgloon, Jean Aerts, der sein Leben riskierte indem er mich rettete. Wenn die Nazis gewusst hätten, dass ein belgischer Polizist ein jüdisches Kind, das auf der Flucht war, gerettet hätte, so wäre er sofort erschossen worden.
…Den belgischen Familien, die mich aufnahmen, mich 17 Monate lang versteckten bis Brüssel am dritten September 1944 befreit wurde, diese Familien haben mich wie ihr eigenes Kind behandelt.
Ohne all diese Menschen wäre ich heute weder Vater noch Großvater.
Jedoch die größte, aller erste Heldin ist meine Mutter: sie stellte ihren kleinen Jungen auf das Trittbrett des Wagons, Trittbrett zur Freiheit, zum Leben. Sie selbst hat die Reise fortgesetzt, die mit dem Tod in der Gaskammer von Auschwitz endete.
Und tausende von Belgier, oft aus dem einfachen Volk, sind nur der Stimme ihres Herzens gefolgt. Sie haben den Verfolgten geholfen und dabei große Risiken auf sich genommen.
3) Ich muss die Opfer der Barbarei würdigen : den Millionen ermordeter Juden, unter ihnen die Kinder. Bei Völkermord ist es « normal » das man zuerst die Kinder tötet, denn die Kinder sind die Zukunft eines Volkes.
Aber es hat andere Opfer Hitler Regimes gegeben und andere Völkermorde in der Geschichte der Menschheit. Ich spreche im Namen aller Opfer, jeglicher Barbarei.
4) Ich spreche heute vor allem zu den jungen Leuten.
Sie müssen von den gestrigen Untaten wissen, um die Demokratie von heute zu verteidigen. Die Demokratie muss tagtäglich verteidigt werden.
Kinder meines Landes Belgien, Kinder von Deutschland, bewahrt unsere beiden Länder so wie sie sind: frei, in Frieden lebend, demokratisch, tolerant, damit ihr, eure Kinder, eure Enkel nicht eines Tages aus Unglück die Barbarei erleben wie ich diese erlebt habe.
Dies ist eine Botschaft an Freunde, voller Hoffnung und Glück.
Trotz der tragischen Geschehnisse von gestern und denen von heute, behalte ich meinen Glauben an die Zukunft, denn ich glaube an das Gute im Menschen.
Diese Ausstellung, eure Einladung, euer Empfang hat mich in diesem Glauben bestärkt.
Es lebe der Frieden und die Freundschaft unter den Menschen.
Simon Gronowski
Notes
Simon Gronowski, Open Memory, Cologne, 2010 | Miracles•Media | 20240714_01 | TakeNode cf696a6b-766f-48ee-ab8c-add44e970999 | Edited image (anonymous photographer) from a web gallery of photos by Bahn erinnern , S. Grollmuss, and Arbeiterfotografie (arbeiterfotografie.com) at the Open Memory site open-memory.info , retrieved Apr 13 , 2017.
Citation info : Speech Open Memory | Miracles•Media | 20240714
Updated July 15, 2024.
